18. Februar 2021

Boundary-Management – für klare Grenzen im Homeoffice

 

Das flexible Arbeiten im Homeoffice ist in der Corona-Krise für zahlreiche Arbeitnehmende zur Normalität geworden. Dabei sehen sie sich zuhause mit vielfältigen Aufgaben konfrontiert: die Arbeit soll innert nützlicher Frist erledigt, Angehörige müssen versorgt und Kinder betreut und unterrichtet werden.

Tipp! Merkblatt: Homeoffice mit Kindern während Corona-Krise

Trotz dieses Multitaskings arbeiten über 70 Prozent der Befragten gern von zuhause aus und möchten diese Art der Arbeitsorganisation auch nach der Corona-Krise beibehalten – zu diesem Schluss kommt eine aktuelle Studie der Fachhochschule Nordwestschweiz und der ZHAW. Doch welche Auswirkungen hat die Arbeit im Homeoffice auf unsere Psyche? Verschwimmen die Grenzen zwischen Job und Privatleben nicht noch viel stärker, als wenn wir im Büro arbeiten?

«Always-On-Mentalität» führt zur Erschöpfung

«Homeoffice kann erschöpfender sein als die Arbeit am Arbeitsplatz», erklärt der Psychologe Martin Kleinman. Er betont, dass der Aufenthalt im Büro mehr Abwechslung biete und Tätigkeiten beinhalte, welche die Arbeitszeit am Computer reduzieren. Die durch die Corona-Krise verstärkte «Always-On-Mentalität» – die Erwartung, ständig verfügbar sein zu müssen – könne dazu führen, dass Personen im Homeoffice länger arbeiten und Schwierigkeiten haben, sich in ihrer Freizeit von beruflichen Aufgaben abzugrenzen. Dadurch ermüden sie laut Kleinmann schneller, als dies am Arbeitsplatz der Fall wäre. Wer auf lange Sicht zu viel arbeite und mit einem hohen Stresslevel zu kämpfen habe, dem drohe womöglich das Burnout.

Tipp! Merkblatt: Umgang mit Stress während der Corona-Krise

6 Faktoren, die das psychische Wohlbefinden bei flexiblem Arbeiten beeinflussen

Quelle: Work-Smart-Initiative

 

Hilfe für die Organisation im Homeoffice

Doch nicht alle Mitarbeitenden reagieren gleich auf flexible Arbeitsbedingungen – die Persönlichkeit und persönliche Umstände spielen eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, mit der «neuen Normalität» erfolgreich umzugehen.

Der folgende Fragenkatalog hilft Ihnen dabei, Ihre eigene Arbeitsweise besser kennenzulernen und herauszufinden, welche Massnahmen Ihnen das Arbeiten von zuhause aus erleichtern:

  • Wie wichtig ist mir die Abgrenzung von Beruf und Privatleben?
  • In welchen Bereichen ist es mir besonders wichtig, mich abzugrenzen?
  • Was kann ich tun, damit diese Grenzen respektiert werden?
  • Was hilft mir, mich besser abzugrenzen und effektiver zu arbeiten?
  • Welche potenziellen Ablenkungen gibt es und wie kann ich diese bis zum Abschluss eines Projekts vermeiden?
  • Gibt es mentale Rituale, die mir helfen, Grenzen zu setzen – zum Beispiel ein Spaziergang nach der Arbeit?
  • Wo ist für mich der ideale Arbeitsort und was sind die idealen Arbeitsbedingungen?
  • Gibt es «To-do-Listen», Tools oder Unterstützungsmöglichkeiten durch andere Personen, die mir helfen können, meine Arbeit besser zu organisieren?
  • Hilft mir bei der Organisation meiner Arbeitstage eine Arbeitszeitkontrolle inklusive definierter Telefonzeiten, Erreichbarkeit und Pausenplanung?
  • Habe ich meine persönliche Arbeitsweise, Präferenzen und Erwartungen meinem Umfeld/Team mitgeteilt?

Der Umgang mit unterschiedlichen Boundary-Typen

In Studien wurden unterschiedliche Boundary-Typen identifiziert (Boundary-Theory, Nippert-Eng, 1996). Je nach Typ variieren die Abgrenzungsbedürfnisse zwischen Arbeits- und anderen Lebenswelten wie Familie, Hobby und Freundeskreis. Nachfolgend thematisieren wir, worauf Führungskräfte im Umgang mit unterschiedlichen Boundary-Typen achten sollten:

Integrierender Boundary-Typ

  • Betrachtet die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben als fliessend.
  • Möchte die Arbeit flexibel gestalten und ist meist gut erreichbar.
  • Arbeitet oft zu Randzeiten oder am Wochenende.
  • Benötigt die zuverlässige Verfügbarkeit technischer Hilfsmittel (Notebook, Smartphone etc.).

Wichtig für Vorgesetzte:

  • Stellen Sie die entsprechenden technischen Hilfsmittel zur Verfügung.
  • Lassen Sie dem/der Mitarbeiter/-in möglichst freie Hand bei der Arbeitsgestaltung.
  • Maximieren Sie dessen/deren zeitliche Flexibilität.
  • Vereinbaren Sie die Kontrolle der Arbeitszeit als wichtiges Hilfsmittel, um Überarbeitung zu verhindern.

Segmentierende Boundary-Typ

  • Möchte Berufliches und Privates strikt trennen.
  • Erwartet, dass ausserordentliche Arbeitsleistung (zum Beispiel am Wochenende oder abends) als Ausnahme gilt und entsprechend wertgeschätzt wird.
  • Bevorzugt die Arbeit im Büro, an festen und wiederkehrenden Tagen.
  • Benötigt klare Strukturen, Tagesziele und Rituale, um in den Arbeitsmodus zu kommen.

Wichtig für Vorgesetzte:

  • Respektieren Sie den/die Mitarbeiter/-in und unterstützen Sie ihn/sie dabei, die passende Boundary-Management-Taktik zu entwickeln und zu testen.

Mischtypen

  • Kann sowohl integrierend als auch segmentierend arbeiten.
  • Fühlt sich bei zu viel Segmentation ausgegrenzt.
  • Verliert bei zu viel Integration möglicherweise den Überblick.
  • Arbeitet vor allem aufgrund intrinsischer Motivation integriert und nicht, weil es andere explizit erwarten.

Wichtig für Vorgesetzte:

  • Unterstützen Sie den/die Mitarbeiter/-in bei der Erarbeitung einer Boundary-Management-Taktik.
  • Klären Sie die gegenseitigen Erwartungen und Bedürfnisse: Wann wird segmentiert, wann integriert gearbeitet?
  • Wählen Sie im Zweifelsfall die Segmentationsstrategie.

Werden die unterschiedlichen Arbeitsweisen der Boundary-Typen nicht thematisiert und eingeordnet, kann dies zu Frust, Stress und einer konfliktbehafteten Zusammenarbeit führen.  Um effizient zusammenzuarbeiten, müssen sich alle Teammitglieder miteinander arrangieren. Rituale und Aufgabenlisten können geeignete Ansatzpunkte dafür liefern.

Boundary-Management im Team

Finden Sie heraus, welche Präferenzen Ihre Mitarbeitenden und/oder Teamangehörigen betreffend Boundary-Management haben. Wo bestehen unterschiedliche Bedürfnisse und/oder Klärungsbedarf?

Der Boundary-Typ-Schnelltest der Hochschule Luzern hilft Ihnen und Ihren Mitarbeitenden bei der Selbsteinschätzung:

 Unterstützung suchen

Boundary-Management ist lernbar. Persönliches Coaching oder ein Team-Workshop vermitteln wichtiges Wissen und leiten an zum individuellen Boundary-Management. Geführte Reflexionsprozesse unterstützen Sie darin, die Abgrenzung zwischen Privat- und Berufsleben bedarfsorientiert managen und gestalten zu können. In unseren Seminaren sowie Führungscoachings und Executive Coachings trainieren wir gemeinsam persönliche Handlungskonzepte – immer mit Bezug zu konkreten Aufgaben aus dem Arbeitsalltag. 


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