20. April 2018

Stress: alles psychisch – wirklich?

Zu viel Stress kann krank machen. Das können Sie vermeiden.

 „Stress? Alles psychisch!“ Das ist eine typische Aussage, mit der überlastete Personen häufig konfrontiert sind. Es ist nicht erstaunlich, dass die Betroffenen diese Äusserung als wenig hilfreich empfinden. Wie sollen sie nun vorgehen? Wo ansetzen? Was ist überhaupt damit gemeint?

Wenn im Folgenden von Stress die Rede ist, geht es um krankmachenden Stress, der biochemische Ursachen hat. Er wird verursacht durch Interaktionen zwischen der Psyche, dem Nervensystem, Hormonen und dem Immunsystem. Wer das weiss, kann besser mit Stress umgehen und sein Verhalten ändern.

Stress kurz erklärt: Die Psycho-Neuro-Endokrino-Immunologie

Stress ist die normale körperliche Reaktion auf eine Herausforderung. Er wird durch Stresshormone verursacht. Die Hypophyse, das zentrale hormonelle Steuerorgan, signalisiert den Nebennieren in gefährlichen Situationen, dass sie Adrenalin absondern sollen. Adrenalin beschleunigt den Blutkreislauf, fördert die Hirndurchblutung und reaktiviert körperliche und geistige Kräfte. Die gefährliche Situation führt folglich zu einer seelisch-körperlichen Reaktion, die das Ziel hat, die Herausforderung oder Bedrohung zu bewältigen. Diese Reaktion ist sinnvoll.

Wenn aber ein Mensch in ständiger Alarmbereitschaft steht, und eine Entspannung oder Regeneration nicht mehr möglich ist, hat der Stress negative, krankheitsauslösende Wirkungen. Evolutionär gesehen, sollte der Stresszustand nur für wenige Stunden als eine Art Lebensversicherung wirken. Bei chronischen, langdauernden Belastungen kann es jedoch zu körperlichen Stresserscheinungen kommen. Diese gefährden die Gesundheit.

Nach vollbrachter Hochleistung wünscht sich der Organismus zurück in die Normalität und versucht, mit Hilfe von Hormonen und weiteren Botenstoffen, seinen Stoffwechsel einer sich ständig ändernden Umwelt anzupassen. Hält die Dauerbelastung an, verhindern die chronisch erhöhten Werte des Stresshormons Cortisol, dass sich die Stressreaktion abbauen kann. Das Immunsystem, das Krankheiten bekämpft und neue Infektionen abwehrt, wird geschwächt. Zudem verengt das Cortisol die Wahrnehmung. Es findet eine Realitätsverzerrung statt. Betroffene übersehen und überhören Informationen, beachten Details nicht mehr und leiden an einer selektiven Wahrnehmung. Die Regulation der HPA-Achse (Hypothalamus–Hypophysen–Nebennierenrinden–Achse), welche die Reaktionen auf Stress kontrolliert und viele Prozesse im Körper steuert, ist aufgrund der chronischen Belastung nicht möglich. Folglich kann es zu verschiedenen Beschwerden kommen: etwa zu Störungen des Stoffwechsels der Immunabwehr oder des Herz- Kreislaufsystems, zu Einschränkungen der Lern- und Konzentrationsfähigkeit und auf längere Dauer sogar zu Depressionen. Stress ist also ein potenzieller Krankheitserreger.

Die psychologischen Theorien

In der psychologischen Stressforschung existieren zwei zentrale Konzepte:

  • das Appraisal – die persönliche Wahrnehmung und Bewertung von Stressfaktoren
  • das Coping – der persönliche Umgang mit Stressfaktoren

Das Transaktionale Stressmodell von Lazarus ist nach dem Psychologen Richard Lazarus benannt und wurde 1974 veröffentlicht. Es konzentriert sich auf die persönliche Wahrnehmung von Stress. Dabei geht es darum, ob eine Person ein Ereignis überhaupt subjektiv bedrohend empfindet – und ob sie davon ausgeht, dass die persönlichen Ressourcen ausreichend sind, um die Situation zu bewältigen. Lazarus ging davon aus, dass Stress entsteht, wenn ein Individuum diesen aufgrund seiner Persönlichkeit, seiner Situation und seiner Möglichkeiten als stressreich wahrnimmt. Gemäss Horst Krämer wird Stress zu 93% in unserer Innenwelt erzeugt, nur 7% kommt von aussen. Die persönliche, eigene Bewertung einer Situation entscheidet also über die körperliche Hormonbildung und damit über die Entstehung von Stress.

Unter Coping werden Strategien verstanden, die zur Bewältigung von Stresssituationen gebraucht werden können. Es existieren keine universell effektiven Strategien des Copings, da der Erfolg von der Person und der Art der Situation abhängig ist. Hingegen kann zwischen aktivem und passivem Coping unterschieden werden. Beim aktiven Coping wird betrachtet, wie eine Person eine stressreiche Situation bewältigt oder Ressourcen aufbaut, beim passiven Coping vermeidet die Person solche Situationen.

Bemerkenswert ist, wie stark alle Facetten – Stressfaktoren, biologische Reaktionen, Copingstrategien, mögliche physische- oder auch psychische Schädigungen – miteinander verknüpft sind. Darüber hinaus ist jeder einzelne Aspekt stark durch Individualität geprägt: Ob man etwas überhaupt als stressreich empfindet, wie man mit gewissen Situationen umgeht, und welche Schädigungen durch dauerhaften Stress davongetragen werden, variiert von Person zu Person.

Prävention – Unsere Tipps für Sie

  • Schaffen Sie Ausgleiche aus welchen Sie Energie schöpfen können, zum Beispiel Partnerschaft, Freunde, Familie, Hobbies oder Sport
  • Gönnen Sie sich genügend Schlaf, Ruhe- und Erholungspausen
  • Ernähren Sie sich gesund und ausgewogen
  • Gehen Sie sparsam mit Genuss- und Suchtmitteln um, vor allem in schwierigen Situationen
  • Lassen Sie sich Zeit für ungeplantes
  • Gehen Sie achtsam mit privatem Medienkonsum um
  • Eignen Sie sich Entspannungsmethoden wie z.B. Yoga, Qi Gong, Achtsamkeitstraining, autogenes Training an

Unser Angebot

Coaching und Beratung, damit betroffene Personen lernen, sich wieder selbst zu steuern, sind bei Stress die sinnvollen Massnahmen. Zuerst muss der Hormonhaushalt ins Lot gebracht werden. So haben Betroffene wieder einen freien Kopf, um ihr Werte- und Bedeutungssystem hinterfragen, Ressourcen zu mobilisieren und neue, adäquate Verhaltensweisen erlernen/trainieren zu können. In der Beratung bei Proitera und unseren Seminaren arbeiten wir mit verschiedenen Methoden, um Stress zu entgegnen. Wir nehmen Rücksicht auf die Persönlichkeit. Wichtig dabei ist, dass die Resilienz gestärkt wird und die betroffene Person lernt, sich wieder selbst zu steuern. Mögliche Methoden sind:

  • Analyse und Überdenken der eigenen Antreiber und des Wertesystems
  • Das Aktivieren der eigenen Ressourcen und der Selbstermächtigung (Empowerment)
  • Die Analyse und Stärkung der Resilienz
  • Grenzarbeit (eigene Grenzen kennen lernen und Setzen von Grenzen erlernen)
  • NEUROIMAGINATION® (durch Training Selbststeuerung erlernen und aktivieren)

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