15. Juni 2018

Wann Wut gut tut – und wann sie gefährlich wird

Keine Angst vor Emotionen

Manche schreien, wenn sie wütend sind. Andere schweigen und fressen die Wut in sich hinein. Es gibt wütende Menschen, die sich zurückziehen, beleidigt sind, andere verachten oder kritisieren. Wut äußert sich also sehr verschieden, sie bedeutet Aggression, Zorn, Trotz, Bitterkeit – manchmal aber auch Ironie oder Sarkasmus. Was steckt dahinter?

Wut wird sehr unterschiedlich wahrgenommen. Das hängt davon ab, welche Erfahrungen jemand damit in der Kindheit gemacht hat. Jene, die Wut als Auslöserin für Konflikte erlebten, die so geklärt wurden, deuten sie positiv. Jene, die Wut mit der Eskalation von Konflikten in Verbindung bringen, deuten sie negativ.

Positive Wut
Ich bin wütend auf meine Freundin, die immer 10 Minuten zu spät kommt. Ich sage ihr, dass es mich wütend macht, wenn ich immer auf sie warten muss. Ich fühle mich so, als wäre ich nicht wichtig genug für sie. Sie ist sehr betroffen. Für sie bin ich ein wichtiger Mensch in ihrem Leben. Sie umarmt mich und nimmt sich vor ab jetzt pünktlich zu sein. Auch wenn ihr das nicht immer gelingen sollte, ist der Konflikt doch ausgesprochen und führt zu weniger negativer Energie und schlechten Gefühlen.

Negative Wut
Mein Vater war immer sehr gereizt, wenn er von der Arbeit kam. Er hatte es im Büro nicht einfach (Kränkung). Wenn wir Kinder dann etwas lauter herum tollten, fing er an zu schreien, dass wir ruhig sein sollten. Oft schlug er unvermittelt zu. Noch heute verziehe ich mich, wenn jemand wütend wird und dies etwas heftiger äussert.

Es kann befreiend sein, jemanden mit angestauter Wut zu konfrontieren, gleichzeitig können Situationen, in denen jemand mit Wut konfrontiert wurde, als sehr schwierig wahrgenommen und abgespeichert werden. Konfliktscheue Menschen haben oft negative Erfahrungen mit Streit innerhalb der Familie gesammelt. Sie schlucken ihre Wut herunter, in ihnen sammelt sich Groll, Bitterkeit oder sogar Hass. Manche reagieren später selbst mit verbaler oder körperlicher Gewalt auf Konflikte. So, wie sie es gelernt haben. Die verschiedenen Kategorien des destruktiven Umgangs mit Wut können Sie in der untenstehenden Tabelle nachlesen.

Wut kommt als Gefühl nie alleine. Oft ist sie gepaart mit Angst, Trauer oder Hilflosigkeit. Es ist deshalb wichtig, zu erkennen, in welcher Konstellation die Wut bei einem auftritt, um die Ursache zu finden.

Fragen Sie sich:

  • Weshalb werde ich wütend?
  • Wann werde ich wütend?
  • Was macht mich wütend?
  • Wie reagiere ich dann?
  • Wie bemerken die anderen meine Wut?
  • Gibt es auch Situationen, in denen die Wut zu einer konstruktiven Auseinandersetzung führt?

Wut bewusst steuern

Wut kann durchaus hilfreich sein: Wenn sie bei der Verarbeitung einer Kränkung hilft. Dieser Prozess durchläuft folgende 7 Schritte:

Wut bewusst steuern

Zunächst ist es wichtig, sich zu beruhigen die Energie zur regulieren und wieder einen klaren Kopf zu bekommen, um nichts Unüberlegtes zu tun. Manchen hilft es, Sport zu treiben, andere spielen lieber ein Instrument, putzen die Fenster, kaufen sich einen Blumenstrauss oder praktizieren Atem- und Entspannungsübungen.

Eine weitere Phase ist die Wutanalyse und Selbstreflexion. Wichtig ist, herauszufinden, welche Situationen, welches Verhalten, welche Menschen Wut bei Ihnen hervorrufen und warum.

  • Was hat Sie so verletzt?
  • Und was wurde verletzt?
  • Ihre Würde? Ihre Stellung?
  • Ihre Autorität?

Überlegen Sie, ob Sie sich an jene Person gewandt haben, die Auslöserin Ihrer Wut war. Und was Sie mit Ihrer Reaktion erreichen wollten:

  • Bestrafen?
  • Rächen?
  • Verletzen?
  • Den Konflikt ansprechen?
  • Langfristig etwas verändern?
  • Was haben Sie mit Ihrer Reaktion tatsächlich erreicht?

Vielleicht merken Sie dann: Ihre Reaktion folgt einem Muster, danach ändert sich wenig. Sie sind frustriert, ihr Gegenüber womöglich auch. Überlegen Sie sich als nächsten Schritt, wie Sie Ihr Verhalten ändern können, damit Sie Ihr Ziel erreichen.
Vielleicht wurden Sie gar nicht verstanden. Dann kann es helfen, sich anders auszudrücken:

  • ernst anstatt ironisch
  • leise anstatt laut
  • sachlich anstatt emotional
  • schriftlich anstatt mündlich

Möglicherweise entlädt sich ein Konflikt immer am selben Ort, zur selben Zeit, in derselben Situationen. Dann kann es helfen, aus diesen Mustern auszubrechen.

Bevor Sie Ihr Verhalten aber ändern können, ist es wichtig, zu realisieren, dass Sie eine Kränkung erlebten, die Sie verletzt hat und schmerzt. Vielleicht sind Sie desillusioniert, müssen einen Traum begraben, einen Plan beerdigen. Seien Sie ehrlich und lassen Sie diese Erkenntnis zu, um sich Ihrer Situation voll bewusst zu werden. Dabei hilft es, mit anderen darüber zu sprechen und sich klar zu werden, welche Erwartungen Sie womöglich in Ihr Gegenüber hatten – und dass diese Erwartungen nicht erfüllt werden.

Verantwortung übernehmen und sich befreien

Indem Sie beginnen, für sich selbst zu sorgen, sich Ihren Bedürfnissen und Zielen bewusst zu werden und entsprechend zu handeln, übernehmen Sie Verantwortung für Ihr Leben. Reden Sie mit der Person, die Sie wütend macht. Überlegen Sie sich eine gute Reaktion, für die nächste Situation, in der die Wut hochkocht. Begründen Sie Ihre Wut, sagen Sie, was Sie ändern möchten. So können Sie sich schließlich befreien, Wut kanalisieren und konstruktiv nutzen. Sie zeigen Ihre Persönlichkeit, behalten Ihre Würde, treten für Ihr Recht ein. Das macht Sie stark und lässt Sie reifen.

Zeit ist ein zentraler Schlüssel zur guten Verarbeitung von Wut. Seien Sie nicht zu streng zu sich, gönnen Sie sich Ruhe, denken Sie nach, bevor Sie reagieren. Und: Lassen Sie sich von der Wut nicht zu viel kaputtmachen, nicht die Stimmung verderben, die schönen Momente des Lebens vermiesen. Das ist sie nicht wert!

Gerne stehen Ihnen die Mitarbeitenden von Proitera zur Seite auf dem Weg zur Stärke und Reife durch die verschiedenen Phasen der Wutverarbeitung.

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