Coming-out am Arbeitsplatz – «Es war das klare Zeichen der Firma, welches mir den Mut zum Outing gegeben hat.»
Ich machte mir grosse Sorgen, dass ich gemobbt, ausgelacht und nicht ernst genommen werden könnte, und verletzenden Bemerkungen und Ausgrenzung ausgesetzt sein würde.
«Zur Frage: Was waren Ihre Bedenken und Sorgen in Bezug auf das Coming-out?»
Was hat Sie schliesslich dazu bewogen, sich dennoch zu outen?
Frau S.: Der grosse seelische Druck war unerträglich und der Hauptgrund für mein Coming-out. Die Lösung kam mit dem Pride Monat. Da wurden von der Firma Informationen publiziert, die auf das Thema Diversität aufmerksam machten und dafür sensibilisierten. Zusätzlich wurde am Eingang unseres Standorts eine Regenbogenfahne gesetzt. Dies hat mir die Gewissheit gegeben, dass queere Menschen in dieser Firma ernst genommen und respektiert werden. Es war das klare Zeichen, ein Signal der Firma, welches mir den Mut zum Outing gegeben hat.
Was waren die nächsten Schritte für Sie?
Frau S.: Als Erstes habe ich mit der Personalabteilung einen Besprechungstermin vereinbart. Im persönlichen Gespräch mit der Frau von der Personalabteilung habe ich mich dann zum ersten Mal gegenüber dem Arbeitgeber geoutet. Wir haben dann zusammen das weitere Vorgehen besprochen. Die HR-Angestellte hat auch den Vorschlag gemacht, Proitera beim nächsten Gespräch als Unterstützung hinzuzuziehen.
Wie haben Ihre Arbeitskollegen auf das Outing reagiert?
Frau S.: Mein Arbeitsteam ist von Anfang an, voll zu mir gestanden. Zunächst war die Atmosphäre zum Teil spürbar verkrampft und angespannt. Aufgrund ihrer Unsicherheiten waren einige am Anfang zurückhaltend, manche sprachen mich an und entschuldigten sich schon präventiv, sollten sie mich aus Unachtsamkeit falsch ansprechen. Mittlerweile, nach sechs Monaten, hat sich das Ganze sehr entspannt und beruhigt. Fast alle Kollegen bemühen sich sehr und gehen respektvoll mit mir um.
Es war das klare Zeichen, ein Signal der Firma, das mir den Mut zum Outing gegeben hat.
«Zur Frage: Was hat Sie schliesslich dazu bewogen, sich dennoch zu outen?»
Welche Veränderungen am Arbeitsplatz waren für Sie wichtig?
Frau S.: Die grösste Veränderung war und ist, dass die Arbeitskollegen mich mit dem richtigen Namen und Geschlecht ansprechen und dementsprechend mit mir umgehen. Auch alle Änderungen, die mit meinem Namen und Geschlecht verknüpft sind, wie etwa der Wechsel der E-Mail-Adresse, die Anpassung der Personalkarte oder die Beschriftungen an der Bürotür sind für mich ebenfalls von grosser Bedeutung.
Was haben Sie besonders geschätzt beim Coming-out am Arbeitsplatz?
Frau S.: Die Begleitung und Unterstützung durch die Frau von der Personalabteilung waren für mich sehr hilfreich und wertvoll. Dafür bin ich ihr sehr dankbar. Ebenso die Tatsache und das Wissen, dass das Management der Firma hinter mir steht und mich unterstützt. Ich bin zudem sehr dankbar für den Respekt und die Selbstverständlichkeit, mit der man mir begegnet.
«Mich zu verstellen und den anderen etwas vorzuspielen, habe ich jetzt nicht mehr nötig: Ich kann ICH sein und mich frei und ungezwungen am Arbeitsplatz bewegen.»
Welche Unterstützung haben Sie durch Proitera erfahren?
Frau S.: Im Gespräch mit der Beraterin von Proitera konnten wir die Vorgehensweise meines Outings sehr schnell erarbeiten. Dabei habe ich den Umgang auf Augenhöhe sehr geschätzt und bin dankbar für die Diskretion seitens der Proitera-Beraterin.
Was empfehlen Sie Personen, die sich ebenfalls am Arbeitsplatz outen möchten?
Frau S.: Wende dich an eine Person, der du vertraust. Das kann ein Arbeitskollege sein, deine Chefin oder die Personalverantwortliche. Überlege dir vorgängig genau, was du der Person mitteilen willst und über welche Themen du nicht reden möchtest. Setze du die Grenzen! Von unserer Seite her braucht es ebenfalls eine gewisse Toleranz, bis sich das Arbeitsumfeld an die neue Situation gewöhnt hat.
Wie fühlen Sie sich heute?
Frau S.: Ich fühle mich heute unbeschreiblich befreit und erleichtert. Mich zu verstellen und den anderen etwas vorzuspielen, habe ich jetzt nicht mehr nötig: Ich kann ICH sein und mich frei und ungezwungen am Arbeitsplatz bewegen. Dies wirkt sich auch positiv auf meine Arbeitsleistung aus, ich arbeite nun entspannter und produktiver.
Wir danken Frau S. für das entgegengebrachte Vertrauen und die Teilnahme an diesem Interview.
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