Eigene Grenzen kennen und fremde Grenzen respektieren
Jeder Mensch hat das Recht auf:
- Eigene Gedanken und Meinungen (intellektuelle Grenzen).
- Eigene Gefühle in einer bestimmten Situation (emotionale Grenzen).
- Eigenen Raum, wie gross dieser auch sein mag (physische Grenzen).
- Eigene Freunde, Aktivitäten und Hobbys (soziale Grenzen).
- Den eigenen Glauben (oder Unglauben) und die eigene Spiritualität (spirituelle Grenzen)
Quelle: Chris Bloom
Wenn Grenzen überschritten werden
Werden die eigenen Grenzen nicht gewahrt, reagieren wir sehr unterschiedlich. Wir streiten, sind wütend und aggressiv. Oder wir sind hilflos, schweigen, ziehen uns zurück, fühlen uns gar schuldig und haben das Gefühl, versagt zu haben. Ein Unwohlsein macht sich in uns breit. Wird die Situation immer unerträglicher, machen sich gesundheitliche Beschwerden bemerkbar, was bis zu Erschöpfung und zu einem Burnout führen kann.
Es gibt Menschen denen es leicht fällt, ihre sozialen Grenzen festzulegen. Sie wissen was Ihnen wichtig ist und wofür sie einstehen. Die Definition emotionaler Grenzen hingegen, etwa in einer Beziehung oder bei der Arbeit, fällt uns oft schwer. Wir haben Angst vor den Folgen, wenn wir auf die Einhaltung unserer Grenzen bestehen: Angst vor Zurückweisung, Angst vor Kritik, Angst vor dem Verlust von Sympathien oder Angst davor, nicht mehr gebraucht zu werden.
Wir machen unseren Wert dadurch vom Urteil anderer abhängig und tun uns schwer, etwas abzulehnen. Grenzen zu setzen, heisst aber auch «Nein» zu sagen. Dies zu tun, bevor es zu viel wird, gehört zu einer gesunden Selbstfürsorge.
Auf die eigenen Bedürfnisse achten
Stellen Sie sich folgende Fragen, um Ihre eigenen Grenzen besser wahrzunehmen:
- Was will ich?
- Was interessiert mich?
- Was wünsche ich mir?
- Was will ich nicht?
Zum Beispiel wollen Sie nicht, dass Ihnen jemand körperlich zu nahekommt, sich unerlaubt in Ihrem Büro aufhält oder Ihnen Arbeit überträgt, für die Sie eigentlich nicht zuständig sind. Richten Sie die Aufmerksamkeit auf Ihre eigene Person und nicht auf die Bedürfnisse der anderen. Nehmen Sie Ihre Bedürfnisse ernst. Die Verantwortung für Ihr Wohlbefinden liegt vor allem bei Ihnen selbst. Wenn Sie darauf warten, dass jemand anderes erkennt, welche Bedürfnisse sie haben, könnten sie enttäuscht werden.
Eigene Grenzen wahrnehmen und anerkennen
Gab es in der Vergangenheit Situationen, in denen Sie für andere etwas gemacht haben, sich dabei aber unwohl und möglicherweise überfordert gefühlt haben? Es ist gut möglich, dass Sie Ihre eigenen Grenzen dabei nicht wahrgenommen haben. Um diese zu erkennen, lohnt es sich folgende Fragen zu stellen und für sich zu beantworten:
- In welcher Situation haben Sie «Ja» gesagt, obwohl Sie eigentlich «Nein» sagen wollten?
- Warum glauben Sie, haben Sie «Ja» gesagt?
- Welches Verhalten einer Person verletzt Ihre Grenzen?
- Wann haben Sie bereut etwas getan zu haben, was Sie eigentlich nicht tun wollten?
- Warum übernehmen Sie zusätzliche Aufgaben obwohl Sie schon genug ausgelastet sind?
- Wieso wollen Sie Ihren Chef nicht enttäuschen?
- Warum habe Sie kein Vertrauen in Ihre Leistung?
Eigene Grenzen nicht nur zu kennen, sondern auch anzuerkennen, ist für viele Menschen nicht einfach. Oft werden wir getrieben von Gedanken wie «das schaffe ich auch noch» oder «jetzt sei doch kein Schwächling». Denken Sie daran, dass Sie es nicht allen recht machen müssen. Sie sollten vor allem sich selber gerecht werden. Sie sind kein schlechter Mensch und kein/-e schlechte/-r Mitarbeiter/-in, wenn Sie Zusatzaufgaben oder Bitten nicht erfüllen möchten.
Beispiel eigene Grenzen wahrnehmen:
«Ich gehe jetzt schlafen und lege nicht noch die Wäsche zusammen. Ich habe zu viele Aufgaben übernommen und muss wieder etwas davon abgeben.»
Veränderungswünsche formulieren
Werden Sie sich als Erstes darüber klar, was Sie ändern wollen. Wie soll ein bestimmtes Szenario künftig aussehen, damit Sie sich wohlfühlen? Achten sie darauf, dass sie Ihren Wunsch möglichst konkret und möglichst positiv formulieren.
Beispiel Wünsche formulieren:
«Ich möchte am Morgen meinen ersten Kaffee ungestört und in Ruhe trinken.» Oder: «Ich möchte zuerst eine Bedenkfrist haben, bevor ich Zusatzaufgaben annehme.»
Überlegen Sie sich was passiert, wenn Sie zu einer Bitte einfach «Nein» sagen. Lernen Sie Ihre Gefühle bewusst wahrzunehmen, sie zu benennen und zu akzeptieren. Mit jedem mutigen Entscheid und dessen Kommunikation, stärken Sie das Vertrauen in sich selbst.
Grenzen kommunizieren und einfordern
Kommunizieren Sie Ihre Grenzen freundlich, respektvoll, aber bestimmt! Grenzen zu setzten und «Nein» zu sagen, braucht Mut und Vertrauen in die eigene Person, denn mit unserem Handeln wollen wir niemanden verletzen.
Beispiel Grenzen kommunizieren:
Anstatt zu sagen, «du musst aufhören, mich bei der Arbeit zu stören», können Sie Ihren Wunsch so formulieren: «Ich brauche etwas Ruhe, um konzentriert zu arbeiten.» Eine andere Möglichkeit, dasselbe Anliegen auszudrücken, könnte so klingen: «Ich unterstütze dich gerne, habe aber viel zu tun. Was könntest du mir abnehmen?»
Sind Sie sich nicht sicher, ob Sie richtig reagiert haben? Aussenstehende, neutrale Personen können Ihnen vielleicht helfen Situationen zu beurteilen und persönliche Zweifel zu klären. Setzen Sie sich nicht unter Druck und suchen Sie Unterstützung – zum Beispiel bei guten Freunden, der Familie oder bei einer neutralen Anlaufstelle am Arbeitsplatz wie zum Beispiel der Beraterin, dem Berater von Proitera.
Sei es, um Kritik zu üben oder Konflikte im Team zu lösen; als Vorgesetzte/-r stossen Sie auch hin und wieder an Ihre persönlichen Grenzen. Ihre Aufgabe ist es aber, die Dinge auf einer sachlichen Ebene beim Namen zu nennen, ohne Ihre eigenen Gefühle darin einfliessen zu lassen.
Wie grenze ich mich als Vorgesetzte/-r ab?
Bei einem Konflikt in Ihrem Team ist folgendes Vorgehen hilfreich:
Verständnis zeigen: Zeigen Sie Verständnis für die Situation des/der Mitarbeitenden und bieten Sie dem/der Mitarbeitenden Ihre Unterstützung an. Verzichten Sie bei Konfliktsituationen darauf für eine Seite Partei zu ergreifen oder abwesende Mitarbeitende abzuwerten.
Kritik sachlich anbringen: Beurteilen Sie den Sachverhalt, nicht die Person. Es geht nicht darum Mitarbeitende zu verändern. Viel mehr soll ein problematisches Verhalten am Arbeitsplatz thematisiert und verändert werden. Mit Ich-Botschaften erklären Sie dem/der Mitarbeitenden, dass Sie ihn/sie sehr schätzen, aber sein/ihr Verhalten nicht akzeptieren.
Aussprache fördern, Rahmenbedingungen definieren: Als neutrale Person organisieren und fördern Sie die Aussprache zwischen den Konfliktparteien. Sie selber dürfen aber nicht zum Überbringer von Kritik werden. Dabei ist es wichtig, die Rahmenbedingung für ein klärendes Gespräch zu definieren. Die Stärken und Schwächen einzelner Beteiligter dürfen thematisiert werden, allerdings nur auf einer sachlichen Ebene und ohne deren Grenzen zu verletzen.
Eigene Grenzen erkennen: Werden Sie sich Ihrer eigenen Grenze bewusst und sagen Sie auch mal «Nein», wenn Sie feststellen, dass Ihre persönliche Grenze überschritten wird. Wer Grenzen setzen möchte, muss zuerst wissen, wo seine eigenen liegen.
Unterstützung anfordern: Unsere Beraterinnen und Berater unterstützen Sie und Ihre Mitarbeitenden dabei, offene Gespräche zu führen, Missverständnisse zu klären und belastende Situationen frühzeitig abzufangen. Unsere Methoden helfen dabei, Ihre Beziehung zur Umwelt zu verstehen und sie präziser sowie achtsamer wahrzunehmen.
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