27. March 2025

Wechseljahre am Arbeitsplatz: Offen über Gesundheit in der Lebensmitte sprechen

Sorry, this entry is only available in Deutsch and Français.

Wechseljahre des Mannes oder Andropause

Auch Männer erleben mit zunehmendem Alter eine hormonelle Veränderung, diese verläuft aber anders als bei den Wechseljahren der Frau. Deshalb ist die tatsächliche Existenz der Andropause in der Wissenschaft umstritten.

Männer erkennen die Wechseljahre an verschiedenen psychischen und körperlichen Veränderungen. Häufig treten Konzentrationsprobleme, erhöhte Stressanfälligkeit, Stimmungsschwankungen und Antriebslosigkeit auf. Auch die sexuelle Lust kann nachlassen, teils verbunden mit Erektionsstörungen. Körperliche Symptome wie vermehrtes Schwitzen, Hitzewallungen, Gelenkschmerzen sowie Muskelabbau bei steigendem Fettanteil sind ebenfalls typisch für die Andropause.

Die Wechseljahre sind oft ein Tabuthema – gerade auch in der Arbeitswelt. Der Mangel an Kommunikation und Unterstützung führt dazu, dass Frauen zögern, über ihre Erfahrungen zu sprechen und somit keine angemessene Unterstützung erhalten. Oft leiden Betroffene im Stillen. Dies führt nicht nur zu Isolation, sondern auch dazu, dass Frauen es häufig vorziehen, ihr Arbeitspensum zu reduzieren oder sogar zu kündigen (25 Prozent, gemäss einer Studie aus England von 2021). Dabei beginnt die Perimenopause oft in einer entscheidenden Phase, in der Frauen versuchen, ihre Karriere voranzutreiben, während sie gleichzeitig belastende Symptome bewältigen müssen.

Wechseljahre bei Frauen

Die Prämenopause beginnt meist um das 40. Lebensjahr, wenn die Produktion der Geschlechtshormone, insbesondere Progesteron, abnimmt. Frauen bemerken oft Veränderungen im Menstruationszyklus, Spannungsgefühle, Wassereinlagerungen, erhöhte Reizbarkeit und Gelenkschmerzen.

Die Menopause markiert den Zeitpunkt der letzten Menstruation, nach der mindestens zwölf Monate lang keine Blutung mehr erfolgt. Sie tritt im deutschsprachigen Raum durchschnittlich mit 51 Jahren ein.

Die Perimenopause umfasst die Jahre vor und das Jahr nach der Menopause, in denen natürliche hormonelle Schwankungen auftreten. Der Menstruationszyklus wird unregelmässiger, und es können psychovegetative Symptome wie depressive Verstimmungen, Ängstlichkeit und Müdigkeit auftreten. Auch die Östrogenproduktion nimmt ab, was zu Hitzewallungen und Gewichtszunahme führen kann, verstärkt durch den Abfall des Testosterons.

Abgänge aufgrund der Wechseljahre sind teuer

Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Wechseljahre auf Firmen sind erheblich. Die Kosten für den Ersatz einer «verlorenen» Mitarbeiterin betragen etwa die Hälfte und mehr ihres Jahresgehalts. Allein in der Schweiz belaufen sich die Ausgaben, die durch das Ausscheiden von Frauen in den Wechseljahren entstehen, auf über 2 Milliarden Franken.

Firmen in Grossbritannien haben das nun erkannt: Bereits 30 Prozent der Firmen haben Unterstützungsmassnahmen für Frauen in den Wechseljahren, organisieren Informationsveranstaltungen, bilden Führungskräfte weiter, unterstützen Frauen mit flexibleren Arbeitszeiten oder bieten atmungsaktive Berufskleidung an.

Quelle: Hochschule für Wirtschaft und Recht, Berlin

Stigmatisierung und fehlendes Verständnis

Frauen in den Wechseljahren werden oft stigmatisiert, da ihre Beschwerden als natürliche Alterserscheinungen abgetan werden. Doch hormonelle Veränderungen können das Immunsystem schwächen, was vermehrte Fehlzeiten zur Folge hat und im Arbeitsumfeld den Eindruck mangelnder Belastbarkeit verstärkt. Gleichzeitig erhalten Frauen in den Wechseljahren von medizinischer Seite oft pauschale Ratschläge statt fundierter Diagnosen. Besonders das Symptom der Gewichtszunahme wird häufig auf einen inaktiven Lebensstil zurückgeführt, ohne die hormonellen und stoffwechselbedingten Ursachen zu berücksichtigen. Denn trotz medizinischer Schulung zum veränderten Stoffwechsel in den Wechseljahren, fehlt es an Aufklärung und einer differenzierten Betrachtung, sodass Betroffene in stereotype Vorstellungen gedrängt werden.

Absentismus, Präsentismus und Leavismus

Folgende Aspekte verdeutlichen, dass die Wechseljahre nicht nur physische und emotionale Herausforderungen mit sich bringen, sondern auch bestehende Arbeitsmodelle infrage stellen.

Absentismus zeigt sich in steigenden ungeplanten Abwesenheiten, jedoch oft ohne offizielle Krankschreibungen, da viele Frauen ihre Symptome nicht als Krankheitsgrund angeben. 

Präsentismus bedeutet, dass Mitarbeiterinnen trotz starker Beschwerden zur Arbeit kommen, was zwar Engagement zeigt, aber die Fehlerquote erhöhen kann. Lesen Sie dazu auch unseren Blogartikel zum Thema «Präsentismus».

Leavismus beschreibt die Nutzung von Gleitzeit, Urlaub oder freien Tagen, um sich krankheitsbedingt zurückzuziehen, ohne eine Krankmeldung einzureichen.

Praxisfall: Fehldiagnosen und der lange Weg zur richtigen Behandlung

Eine Mitarbeiterin fällt im Betrieb durch ihre gedrückte Stimmung, nachlassende Beteiligung und krankes und ungepflegten Äusseres auf. Aufgrund dieser Veränderungen wird sie an die Betriebliche Sozialberatung Proitera verwiesen.

In der Beratung beschreibt sie Symptome wie Erschöpfung, Antriebslosigkeit, Müdigkeit und Appetitlosigkeit – trotz Gewichtszunahme. Zudem leidet sie häufig unter Gelenkschmerzen. Ihr Frauenarzt ordnet diese Beschwerden als typische Begleiterscheinungen der Wechseljahre ein. Eine Hormonersatztherapie wird ihr nicht empfohlen, da diese die Symptome nur hinauszögern würde. Die Mitarbeiterin akzeptiert diese Einschätzung und glaubt, ihr «Leiden» erdulden zu müssen.

Auf Anraten ihrer Tochter sucht sie einen Rheumatologen auf, der jedoch eine Fehldiagnose stellt und sie an weitere Fachpersonen überweist. Es beginnt eine belastende Odyssee: Von Fachspezialisten zu Fachspezialisten geschickt, erhält die Frau immer wieder unterschiedliche Erklärungen, doch keine führt zu einer wirksamen Behandlung.

Erst als sie den Podcast einer Frauenärztin hört, die dazu rät, hartnäckig nach einer zweiten Meinung zu suchen, fühlt sie sich ermutigt, erneut eine Ärztin aufzusuchen. Diese erkennt schliesslich ein hormonelles Ungleichgewicht als Ursache ihrer Beschwerden. Mit einer gezielten Behandlung bessert sich ihr Zustand deutlich.

Parallel dazu wird mit der betrieblichen Sozialberaterin ein Standortgespräch initiiert. Gemeinsam mit der Führungskraft werden Anpassungen der Arbeitsbedingungen besprochen, um die Mitarbeiterin in dieser Phase zu entlasten. Flexible Arbeitszeiten und eine reduzierte Belastung ermöglichen es ihr, bis zum vollständigen Wirken der Therapie weiterhin arbeitsfähig zu bleiben.

Dieser Fall aus der Praxis zeigt:  Symptome wie Erschöpfung, Schlafprobleme oder Konzentrationsstörungen werden häufig fehlgedeutet – von den Betroffenen selbst, aber auch von der Medizin. Die Folge: falsche Diagnosen wie Burn-out oder Depression, unnötige Therapien und Ausfälle am Arbeitsplatz. Ein besseres Verständnis kann Fehlinterpretationen vermeiden und gezielte Unterstützung fördern.

Wechseljahre am Arbeitsplatz: Eine Frage der Unternehmenskultur

Oft liegt das Problem aber nicht nur in fehlendem Wissen, sondern auch in der Art und Weise, wie in vielen Unternehmen gearbeitet wird. Hybride Arbeitsmodelle und auf Effizienz getrimmte Strukturen lassen wenig Raum für persönliche Gespräche. Wenn Gesundheit im Unternehmen kaum thematisiert wird, fehlt das Bewusstsein für das Wohlbefinden der Mitarbeitenden. So wird es noch schwieriger, über Wechseljahrbeschwerden und persönliche gesundheitliche Herausforderungen zu sprechen. Es braucht einen offenen Dialog über Gesundheit – für alle Geschlechter. Auch Männer erleben Veränderungen beim Älterwerden. Daher sollten Transformation und Wohlbefinden in der Lebensmitte als gemeinsames Thema in den Fokus rücken.

Hier sind Führungskräfte besonders gefragt: Sie prägen die Unternehmenskultur und können mit gutem Beispiel vorangehen. Wer unkompliziert über gesundheitliche Themen spricht, signalisiert, dass es in Ordnung ist, sich mitzuteilen. Es geht nicht um spezielle Programme oder Schulungen, sondern um eine Haltung, die Menschlichkeit zulässt. Unternehmen, die ein solches Miteinander fördern, profitieren von gesünderen und motivierten Mitarbeitenden.

Im Grunde ist das nichts Neues – jedes Unternehmen hat bereits Gesundheitsmassnahmen, um Wohlbefinden zu fördern und Krankschreibungen zu verhindern. Führungskräfte sollten aber wissen, dass die Wechseljahre mit bestimmten Symptomen einhergehen. Das Thema bietet eine weitere Gelegenheit, Mitarbeitende bei Themen wie hormoneller Gesundheit und gesundem Altern zu unterstützen.

Massnahmen für eine gesundheitsfördernde Unternehmenskultur

1. Vorbildfunktion der Führungskräfte

Führungskräfte sollten mit gutem Beispiel vorangehen und signalisieren, dass Gesundheit ein berechtigtes Thema ist. Das bedeutet nicht, dass sie private Details teilen müssen, aber sie können offen über Belastung, Erholung und Selbstfürsorge sprechen.

2. Raum für informellen Austausch schaffen

Hybrides Arbeiten und digitale Kommunikation führen oft zu Distanz. Unternehmen können bewusst Gelegenheiten für persönlichen Austausch fördern – zum Beispiel mit regelmässigen Team-Austauschrunden, etwa gemeinsamen Kaffeepausen, oder Gesundheits-Stammtischen, in denen Themen wie Schlaf, Stress oder hormonelle Veränderungen ungezwungen besprochen werden können.

3. Gesundheitsorientierte Unternehmenskultur verankern

Gesundheit sollte kein Sonderthema sein, sondern Teil der täglichen Arbeit. Dazu gehört, dass Meetings nicht dauerhaft überzogen, sowie Pausen akzeptiert und respektiert werden. Leistung wird nicht mit ständiger Verfügbarkeit und Präsenz gleichgesetzt.

4. Sensibilisierung statt Schulung

Statt verpflichtender Schulungen können gezielte Sensibilisierungs-Impulse gesetzt werden – etwa durch interne Kommunikation, Erfahrungsberichte oder kurze Expertinnen-/Experten-Inputs. So wird Gesundheit auf natürliche Weise in den Arbeitsalltag eingebunden, ohne als Pflichtveranstaltung zu wirken.

5. Flexibilität ermöglichen

Wenn gesundheitliche Beschwerden – egal ob Wechseljahre, Migräne oder Schlafstörungen – den Arbeitsalltag beeinflussen, sollte es niedrigschwellige Lösungen geben: Homeoffice-Tage, flexible Arbeitszeiten oder einfach das Verständnis, dass jemand eine Pause braucht, ohne sich rechtfertigen zu müssen.

6. Eine Sprache der Offenheit etablieren

Die Macht der Worte darf nicht unterschätzt werden. Anstatt zu sagen «das ist Privatsache» oder «jetzt reiss dich mal zusammen», können Führungskräfte und Teams durch wertschätzende Formulierungen Verständnis zeigen: «Wie geht es dir?», «Falls du Unterstützung brauchst, bin ich da» oder: «Wir finden eine Lösung.» Dabei geht es nicht darum, dass alle über alles sprechen müssen. Doch eine Unternehmenskultur, in der Austausch über gesundheitliche Themen selbstverständlich ist, nimmt Unsicherheiten und verhindert, dass Menschen aufgrund vermeidbarer Missverständnisse aus dem Berufsleben ausscheiden.

7. Betriebliche Sozialberatung als Teil der Unternehmenskultur

Eine gesundheitsfördernde Unternehmenskultur braucht konkrete Anlaufstellen. Die betriebliche Sozialberatung bietet vertrauliche Unterstützung bei Belastungen und stärkt Führungskräfte im Umgang mit gesundheitlichen Herausforderungen. Unternehmen, die sie aktiv einbinden, signalisieren: Sich Hilfe zu holen ist okay – es fördert das Wohlbefinden und beugt Überlastung vor.


Share this article

Read more blog articles

Wage Garnishment: Finances under control?

But what does that even mean, wage garnishment? The employer must transfer the share of the salaries exceeding the ...

Learn more
Feedback als Führungsinstrument

                                 

Learn more
Videoportrait: Fabienne Sigrist

Learn more
Diskriminierungsfreies Arbeitsklima fördern - Mobbing und andere Belästigungen richtig abklären

     

Learn more
All blog articles