2. Juni 2017

Onlinesucht: Von der Faszination zur Abhängigkeit

Nicht jeder, der viel Zeit im Internet verbringt, ist onlinesüchtig. Wenn aber das Verlangen online zu gehen permanent da ist, wenn es die Gedankenwelt und Freizeitgestaltung dominiert, ist Handeln angesagt. Mit der Einschränkung der Internetzeit allein ist es jedoch nicht getan.

Daniela ist mit ihrem Smartphone immer online. Die 15-Jährige Schülerin weiss, was im Netz abgeht, womit sich die vielen Freundinnen und Freunde gerade beschäftigen und was bei Facebook und Snapchat top ist. Am Schulunterricht nimmt Daniela kaum teil, ihre Gedanken kreisen: Was läuft bei Sybille, Julia und Kevin gerade? Die Hausaufgaben interessieren sie nicht mehr, die Suche nach einer Lehrstelle schiebt sie aus Zeitmangel vor sich hin. Ihre Familie langweilt sie, die Gespräche beim Essen sind ätzend. Sie chattet lieber mit ihren virtuellen Freundinnen und Freunden – bis tief in die Nacht. Einige Internet-Freunde trifft sie zwar morgen in der Schule wieder, doch auf dem Smartphone lockt die coolere Welt und sie kann sich so darstellen, wie sie sein möchte: «You are what you share». Daniela ist onlinesüchtig.

Was ist Onlinesucht?

Als Onlinesucht oder auch Internetsucht wird die unkontrollierte und exzessive Nutzung von Internet sowie sozialen Netzwerken oder Computerspielen bezeichnet. Die Definition ist wissenschaftlich umstritten. Einige Psycholog/-innen sehen in einer exzessiven Online-Nutzung keine eigenständige Störung, sondern vielmehr das Symptom einer psychischen Erkrankung, einer Depression. Laut Sucht Schweiz (1) flüchten sich vor allem junge Frauen in die Sozialen Medien. Es fällt ihnen schwerer, sich auszuklinken und eine Pause einzulegen. Für männliche Jugendliche ist das Suchpotential bei Online-Games sowie von Sex- und Pornoseiten sehr hoch.

Die Neuen Medien sind für viele Jugendliche und junge Erwachsene unverzichtbar. Gemäss JAMES-Studie 2016 (2) sind 94 % der Schweizer Jugendlichen Mitglied bei mindestens einem Sozialen Netzwerk wie Facebook, Snapchat, Instagram etc. Auf den sozialen Medien ist das Leben der Anderen oft spannender als das eigene reale Leben. Auch die phantastischen virtuellen Welten der Computerspiele locken mit grenzenlosen Abenteuern und uneingeschränktem Spass. Die Nutzerinnen und Nutzer schlüpfen in andere Rollen und nehmen neue, spannendere Identitäten an.

Die Folgen der Onlinesucht

Wer mehr Zeit im Internet verbringt, hat weniger Zeit für andere Lebensbereiche. Persönliche, reale Beziehungen verkümmern. Vor lauter Chatten und Gamen kommt der Schlaf, gesundes Essen und körperliche Bewegung zu kurz. Die schulische oder berufliche Leistungsfähigkeit nimmt ab, und es treten gesundheitliche Probleme auf. Jugendgefährdende Inhalte können die soziale und psychosexuelle Entwicklung Jugendlicher massiv negativ beeinflussen. Bei Cyber-Mobbing besteht bei den Betroffenen ausserdem die Gefahr, ihr Selbstvertrauen zu verlieren. Angstzustände und Depressionen sind die möglichen Folgen. Einige «Dienste» des Internets wie beispielsweise Online-Wetten und -Pornografie können Jugendliche zudem in finanzielle Probleme stürzen.

Wie mit Onlinesucht umgehen?

Einfach die Internet-Zeit einzuschränken, ist der falsche Weg. Viel wichtiger ist es, das Verhalten der Betroffenen zu beobachten:

  • Isoliert sich Ihre Tochter oder Ihr Sohn?
  • Hat Ihr Kind reale Freundinnen oder Freunde und verbringt Zeit mit ihnen?
  • Während zwei Stunden keine Internetverbindung – wird ihr Kind aggressiv?
  • Verschlechtern sich die schulischen oder beruflichen Leistungen oder sind sie konstant schlecht?
  • Haben Sie mit der betreffenden Person schon geredet, und es hat nichts bewirkt?

Wenn Sie diese Fragen mit Ja beantworten, empfehlen wir Ihnen ein Gespräch mit einer unbefangenen Fachperson. Unterstützung durch vertraute Personen wie Eltern, Freunde und Lehrpersonen ist hilfreich aber meistens nicht ausreichend.

Die Berater/-innen von Proitera und andere qualifizierte Fachstellen sind in den verschiedenen Suchtthematiken geschult. Sie setzen sich auch mit den neuen Medien, dem Konsumverhalten, den Hintergründen und Zusammenhängen auseinander.

Onlinesucht vorbeugen 

Die Begriffe Digital Natives und Digital Immigrants machen den Gap zwischen den Generationen deutlich. Die Fertigkeit und Selbstverständlichkeit der Kinder und jungen Erwachsenen überfordern oftmals die Lernbereitschaft der Eltern im Umgang mit digitalen Medien und Tools.

Die grösste Herausforderung für Erwachsene ist: dran zu bleiben.
Deshalb gilt:

  • Lernen Sie die wichtigen Social Media-Kanäle kennen.
  • Beobachten Sie die neuen Trends; hören Sie auf die Kids.
  • Verstehen Sie sich als Teil der digitalen Welt.

Für Eltern gilt:

  • Lassen Sie sich von Ihren Kindern erklären, was sie begeistert und wie die Sozialen Netzwerke und Games funktionieren.
  • Grenzen Sie die Internetzeit ein und überprüfen Sie die Abmachung.
  • Definieren Sie altersentsprechend, welche Medien Ihre Kinder nutzen dürfen: Chatten, Spielen, Surfen …
  • Legen Sie fest, welche Online-Angebote nur unter Ihrer Aufsicht genutzt werden dürfen.
  • Klären Sie die Kinder über strafbare Handlungen im Internet auf. Informationen dazu finden Sie auf der Nationalen Plattform zur Förderung von Medienkompetenzen.
  • Vereinbaren Sie gemeinsame Familienzeit ohne Smartphone und Onlinemedienkonsum.
  • Tauschen Sie sich mit anderen Eltern aus.

Für User/-innen gilt:

  • Reflektieren Sie ihr eigenes Medienverhalten.
  • Sprechen Sie mit Ihrem Partner, Ihrer Partnerin darüber und achten Sie genau auf deren Aussenwahrnehmung.

Machen Sie den Selbsttest! Auf der Webseite der Suchtprävention des Kantons Zürich können Sie Ihr eigenes Nutzverhalten testen: Selbsttest Online-Konsum


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