Schwierigkeiten am Arbeitsplatz bei Suchtproblemen - Rollentausch als Klärungsansatz

Ausgangslage
Herr C. meldete sich, weil ihm gekündigt wurde. Als Grund gab er Probleme am Arbeitsplatz an. Er könne das nicht verstehen und sei damit nicht einverstanden, meinte er empört. Mal zu spät kommen, das könne jedermann passieren, bei diesem Stress sowieso. Er sei doch schon 8 Jahre im Unternehmen und verstehe sich mit allen gut. Es komme nicht wieder vor, doch mit seinem Chef würde er nicht mehr reden. Der habe keine Ahnung.


Auftrag von Herrn C. an Proitera
«Ich brauche meine Arbeitsstelle! Was soll ich nun machen? Wie muss ich vorgehen?»


Intervention
Herr C. wirkte am Anfang des Erstgesprächs widerspenstig, rechthaberisch und aufbrausend. Die Beraterin fand die Geschichte merkwürdig. Sie kennt das Unternehmen und die Kultur gut. Sie hörte aufmerksam zu und fragte nach Details. Eindrücklich, wie seine Wut langsam schwand und dann nur noch Verzweiflung und Ohnmacht sichtbar waren. «Moment mal», meinte sie schliesslich. «Sie sind einmal zu spät gekommen und haben anschliessend die Kündigung erhalten. Sind Sie ganz sicher? Das wäre ja wirklich unglaublich!» Nein, es gab in der Vergangenheit Gespräche wegen Fehlverhalten, eine Verwarnung und schliesslich ein Ultimatum. Er fügte bei: «Ich sage Ihnen nun im Vertrauen, dass ich gelegentlich Kokain konsumiere. Da passieren solche Dinge wie zu spät kommen eben.» Seine Glücksspiele würden beim Finanzieren des Konsums helfen. Auf die Frage, ob er stets gewinne, meinte er kleinlaut: «Manchmal. Im Moment läuft es nicht gut und ich bin verschuldet. Doch das schaffe ich schon noch. Am nächsten Mittwoch ist mein Glückstag.» Die Beraterin entschied sich für die Methode des Rollentausches nach Moreno und bat den Mitarbeiter, sich auf den fiktiven Stuhl des Vorgesetzten zu setzen. Sie selbst nahm die Rolle des Mitarbeiters ein. Interessanterweise wurde er in der Rolle des Chefs richtig eifrig. «Dass er so viel Geduld mit mir hatte, verstehe ich nicht», murmelte er anschliessend. «Ich hätte ihm schon lange gekündigt!» Anschliessend bilanzierte die Beraterin und fragte nach seiner Bereitschaft, einen stationären Drogenentzug mit Entwöhnung und Bearbeitung seines Suchtverhaltens zu machen. Später würde dann die Schuldensanierung mit Unterstützung von Proitera angegangen. Die Folgegespräche galten der Vorbereitung von Verhandlungsgrundlagen. Der Vorgesetzte willigte rasch ins Gespräch zu dritt ein. Und was die Beraterin vermutete, wurde offensichtlich. Er wollte den Mitarbeiter nicht verlieren und zeigte deshalb so lange Geduld. Einen Rückfall würde er nicht mehr tolerieren, meinte er. Doch nach der Unterzeichnung eines Verhaltenskodexes und wenn die Suchtvereinbarung mit Proitera ausgehandelt sei, werde er den Rückzug der Kündigung unter Vorbehalt veranlassen.


Ergebnis
Proitera führt weiterhin regelmässige Koordinationsgespräche zwischen Suchttherapeuten/-innen, dem Hausarzt und dem Arbeitgeber. Die Schuldensanierung ist auf gutem Wege, erfordert aber noch viel Disziplin und Geduld. Der Prozess ist im Gange und die ersten Meilensteine sind erreicht.