15. Februar 2024

Eltern-Burnout: wenn die familiäre Belastung zum Arbeitsausfall führt

Das Elternsein kann zeitweise sehr anstrengend sein. Eine Überlastung betrifft nicht nur Eltern mit Kleinkindern, sondern erstreckt sich auch auf Familien mit älteren Kindern. Der Spagat zwischen Beruf und Familie kann zur grossen Belastung werden. Wenn der Stress langfristig anhält, der Ausgleich fehlt und die Erholung zu kurz kommt, können sich daraus negative Auswirkungen auf die psychische und physische Gesundheit ergeben, was wiederum Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit hat.

Der Wunsch nach dem Eigenheim

Frau X., Teilzeitbeschäftigte und Mutter von zwei kleinen Kindern, träumt schon lange von einem eigenen Haus. Um diesen Traum zu realisieren, erhöht sie ihr Arbeitspensum. Ihr Ehemann arbeitet bereits Vollzeit. Doch die steigenden Anforderungen in Beruf und Familie überlasten sie zunehmend. Sie ist Hauptverantwortliche für den Haushalt und die Kinder, die sich zurzeit in der Trotzphase befinden. Ihr Perfektionismus und die hohen Ansprüche an Ordnung und Sauberkeit belasten sie zusätzlich. Die Erschöpfung erreicht ihren Höhepunkt, begleitet von emotionalen Ausbrüchen zu Hause und bei der Arbeit. Es treten vermehrt gesundheitliche Probleme bei ihr auf. Die Arbeitseffizienz nimmt ab, und Frau X. wird wiederholt krankgeschrieben. In ihrer Verzweiflung sucht sie Unterstützung bei der Beraterin von Proitera.

Gesellschaftlicher Druck
und Perfektionismus

Die heutige Gesellschaft setzt Eltern häufig einem enormen Druck aus. Perfekte Elternschaft wird nicht zuletzt auch in den Sozialen Medien als Ideal dargestellt. So versuchen viele Eltern den beruflichen Anforderungen und dem Wunsch nach der idealen Familie gerecht zu werden. Zeitdruck, Organisations- und Leistungsdruck beherrschen oft den Elternalltag. Obwohl klassische Rollenbilder langsam ausgedient haben, leisten Frauen den grössten Teil an Haushalts- und Betreuungsarbeit und nach wie vor gibt es kaum Vorbilder für gleichberechtigtes Elternsein.

Persönlichkeitsmerkmale wie Perfektionismus, mangelnde Fähigkeit zu Delegieren und die Tendenz, eigene Bedürfnisse hintanzustellen, spielen zusätzlich eine grosse Rolle bei der Überlastung. Hinzu kommen die hohen Erwartungen, die Eltern an sich selbst stellen: Sie wollen für ihre Kinder da sein, dabei Freude empfinden, alles richtig machen und ihre beruflichen Ziele verfolgen.

Eltern-Paradox

Das Eltern-Paradox beruht auf der Tatsache, dass Eltern oft starke positive Gefühle der Freude, des Stolzes und der Erfüllung empfinden, wenn es um ihre Kinder geht. Gleichzeitig können sie aber auch mit negativen Gefühlen wie Stress, Sorgen, Erschöpfung und Frustration konfrontiert sein. Wut und Frustration sind natürliche Emotionen, die Eltern erleben. Sie sind aber meist ein Tabuthema. Die Angst vor gesellschaftlicher Wertung verhindert oft den offenen Austausch über diese Gefühle.

… so geht es weiter: Wunsch nach dem Eigenheim

Im Gespräch mit der Sozialarbeiterin erkennt Frau X., dass es um ihre Gesundheit nicht gut bestellt ist und dass ihr persönliches Wohlergehen und das ihrer Familie Priorität haben. Wichtig für sie ist, zu lernen die Ansprüche ans Leben zu reduzieren, realistische Voraussetzungen zu schaffen und den Traum vom eigenen Haus vorübergehend hintanzustellen.

Sie entscheidet sich, den Vorschlag für psychologische Unterstützung durch eine externe Anbieterin anzunehmen und ihr Arbeitspensum wieder zu reduzieren. Der Weg zur Besserung ist nicht einfach, aber Frau X. gewinnt nach und nach ihre Energie zurück und entwickelt eine neue Perspektive auf ihre Lebensziele.

Das hilft bei Überforderungsgefühlen:

Es ist unmöglich, allen Bedürfnissen gerecht zu werden. Das heisst, Sie müssen Prioritäten setzen. Welche Erledigungen sind Ihnen besonders wichtig in der gegebenen Zeit? Werden Sie sich bewusst, dass die gemeinsame Zeit mit Ihren Kindern begrenzt ist und vorübergeht. Durch welche Aktivitäten gelingt es Ihnen in Beziehung mit Ihrem Kind zu sein – zum Beispiel durch Gespräche, oder wenn Sie gemeinsam etwas unternehmen?

Setzen Sie realistische Erwartungen an sich selbst. Erkennen Sie an, dass Perfektion nicht erreichbar ist. Akzeptieren Sie, dass es okay ist, nicht alles unter Kontrolle zu haben: Es ist OK, wenn die Schuhe mal auf dem Flur liegen bleiben und nicht perfekte Ordnung herrscht.

Erlauben Sie sich, auch mal „Nein“ zu sagen, wenn Sie merken, dass Ihre Grenzen erreicht sind. Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf Ihre eigene Person. Lernen Sie zu unterscheiden, was Ihre persönlichen Bedürfnisse sind und was die Bedürfnisse der anderen sind. Kommunizieren Sie Ihre Grenzen freundlich, respektvoll, aber bestimmt!

To-Do-Liste im Kopf

Herr K. ist engagierter Vater eines Kleinkindes. Der kleine Junge ist sehr fordernd und lässt den Eltern nicht viel Zeit zur Erholung. Herr K. hat hohe Ansprüche an sich selbst und möchte seiner Vaterrolle gerecht werden. Nebst der Betreuung seines Sohnes, der stressigen Arbeit und der zusätzlichen Belastung durch die pflegebedürftigen Angehörigen, plagen ihn viele Wunschprojekte. Die ständig wachsende To-Do-Liste und die Vielzahl an Aufgaben lassen ihm keine Ruhe. Schliesslich kommt es zum Burnout, welches ihn dazu zwingt, einige Monate von der Arbeit auszusetzen. In seiner Not sucht er die Beratung bei Proitera auf.

Vom Mental Load zum Burnout

«Mental Load» – die mentale Belastung – bezeichnet die kognitive Arbeit, die durch das Organisieren von Alltagsaufgaben entsteht, wie etwa das Erstellen von Einkaufslisten für den nächsten Einkauf, das Vereinbaren von Arzt- oder Verwaltungsterminen für die Familie und die Erinnerung an diese Termine. Bei dieser Art der geistigen Belastung geht es nicht darum, wer die Aufgaben erledigt, sondern wer sich darüber Gedanken macht, dass sie überhaupt gemacht werden. Wenn Kinder im Haushalt sind, steigt der «Mental Load», der laut Studien oft ungleichmässig verteilt ist und häufiger Frauen betrifft.

Traditionelle Rollenbilder, Perfektionismus sowie der Unwille und die Ungeduld, Aufgaben und Verantwortlichkeiten abzugeben, begünstigen die Entwicklung hin vom «Mental Load» zum «Mental Overload» – der mentalen Überlastung. Im Unterschied zum Burnout, der von einem Mediziner diagnostiziert wird, gibt es für den «Mental Overload» keine eindeutige medizinische Diagnose. Dennoch resultiert er in erheblicher Überbeanspruchung des Gehirns und emotionaler Belastung.

Machen Sie den Test: «Leiden Sie unter einem Eltern-Burnout?»

Zeit für sich finden

Die Sehnsucht nach persönlichem Freiraum ist für viele Eltern real, aber in der Organisation des Familienlebens oft schwer umzusetzen. Zwischen Kinderbetreuung, Haushalt und beruflichen Verpflichtungen bleibt oft zu wenig Raum für die eigenen Bedürfnisse. In der westlichen Kultur sind wir noch immer geprägt vom Bild der Kernfamilie, das heisst Mami, Papi und Kinder als Familie meistern alles allein.

… so geht es weiter: To-Do-Liste im Kopf

In der Beratung bei Proitera wird analysiert, wo Herr K. Entlastung schaffen kann, um seine überladene Aufgabenliste abzuarbeiten. Für die Betreuung des Kindes kommt lediglich die Familie seiner Frau in Frage, daher wird die Reduktion des Arbeitspensums um zehn Prozent in Erwägung gezogen.

Weiter rät die Beraterin Herrn K. zur Priorisierung und klar zu definieren, was er im nächsten Jahr, was in einem Monat und was er an einem Tag erledigen möchte. Spezielle Projekte sollen auf einer separaten Liste vermerkt werden. Wichtig ist es, klare Grenzen zu setzen und zu überlegen, wo er bei der Pflege seiner Angehörigen Unterstützung leisten kann oder wo es ihm selbst zu viel wird. Herr K. soll reflektieren, was ihm wirklich wichtig ist, wie er seine Energie sinnvoll einsetzen möchte und welche Quellen er für neue Energie erschliessen kann. Die Bedeutung von Selbstfürsorge durch Bewegung, Sport und Ausgleich wird diskutiert. Die Beraterin erklärt Herrn K., dass der Stresslevel bei jeder Person unterschiedlich ist, und dass die Ansprüche an sich selbst entsprechend gesetzt werden sollten. Durch die Beratung findet Herr K. schliesslich Wege, um seine Belastungen zu bewältigen und eine gesündere Balance in seinem Leben zu finden.

Das hilft gegen Mental Overload:

Was für Sie wichtig ist, muss nicht automatisch für Ihr Umfeld von Bedeutung sein. Teilen Sie sich mit und stellen Sie klar, was Ihnen persönlich wichtig ist.

Lernen Sie loszulassen. Aufgaben können delegiert werden und auch Kinder können mit zunehmender Selbständigkeit im Haushalt mithelfen. Es erfordert Vertrauen in die Fähigkeiten der anderen und die Bereitschaft, sich damit zufrieden zu geben, wie andere Aufgaben erledigen, auch wenn man es selbst vielleicht anders gemacht hätte.

Machen Sie die unsichtbare Denkarbeit sichtbar, indem Sie sie aufschreiben. Erfassen Sie die Aufgaben, über die sie nachdenken und wie viel Zeit Sie das kostet. Dies hilft bei einer klaren und gerechten Aufgabenteilung einerseits, andererseits begünstigt die Transparenz meistens auch mehr Wertschätzung und Verständnis für die geleistete Arbeit.

Das Eisenhower-Prinzip als Orientierungshilfe bei Überlastung

Absprachen innerhalb der Familie und ein bewusster Umgang mit der Zeit können helfen, Freiräume für sich zu schaffen und damit einen Ausgleich zur Familienarbeit. Versuchen Sie nicht das Bild der perfekten Familie zu bewahren. Es ist wichtig offen über Schwierigkeiten zu reden und sich bei Freunden, Nachbarn oder gegebenenfalls bei externen Stellen Hilfe zu holen.

 

Eltern-Burnout

Die Hauptursachen, die ein Burnout begünstigen können, sind das Streben der Eltern nach Perfektion, ein begrenztes soziales Netzwerk und wenn Eltern Schwierigkeiten haben, klare Grenzen für ihre Kinder zu setzen. Die Folgen davon sind:

Erschöpfung die weit über die gewöhnliche Müdigkeit hinausgeht. Betroffene fühlen sich komplett leer, antriebslos und am Ende.

Emotionale Distanz und ein Gefühl der elterlichen Ineffektivität. Man hat nicht mehr die Energie, präsent zu sein für die Kinder.

Keine Freude mehr am Elternsein: Die Freude am Zusammensein geht verloren, es schwinden Leistungsfähigkeit und Identifikation mit der Elternrolle. Die Folgen sind Vernachlässigung, schlimmstenfalls sogar verbale oder körperliche Gewalt.

Gefühl des Kontrasts und damit die Wahrnehmung, nicht die Mutter oder der Vater zu sein, die oder der man hätte sein wollen.

Quelle: SRF: Eltern am Anschlag: Erschöpfung statt Familienglück


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