22. Februar 2019

Arbeit und Alter: runterfahren ist nicht gefragt

Ältere Mitarbeitende erfolgreich integrieren

Ältere Mitarbeitende sind teuer, unflexibel und weniger leistungsfähig. So lauten die gängigen Vorurteile. In der Schweiz gibt es für ältere Mitarbeitende keinen gesetzlichen Kündigungsschutz. Dabei ist die Generation 50plus besonders stark von Kündigungen betroffen. Tatsache ist jedoch, dass im Jahr 2045 mehr als ein Viertel der Schweizer Bevölkerung über 65 Jahre alt sein wird. Der demografische Wandel, hat nicht nur ein steigendes Rentenalter zur Folge, sondern wird sich auch auf die Gestaltung des Ruhestandes und die Lebensjahre davor auswirken. Ältere Mitarbeitende sind in Zeiten des Fachkräftemangels eine wertvolle Ressource für Unternehmen, auch wenn dies noch oft verkannt wird. Welche Konzepte bewähren sich bei der Integration von 50plus im Unternehmen? Dazu haben wir Judith Lenz-Wehrle, Leiterin Finanzen & Dienste und Standortleiterin bei HakaGerodur befragt.

8 Fragen an Judith Lenz-Wehrle, Leiterin Finanzen & Dienste und Standortleiterin bei HakaGerodur

1. Welche Vorteile hat es ältere Mitarbeitende zu beschäftigen und wie können deren Stärken genutzt werden?

Ältere Mitarbeitende bleiben der Firma eher länger treu. Ihre Erwartungshaltung zum Thema Selbstverwirklichung am Arbeitsplatz ist oft weniger stark ausgeprägt als bei den jüngeren Generationen. Sie sind oft geduldiger bei der Lösungsfindung. In einem altersmässig gut durchmischten Team ist dies ein Vorteil. Wir beobachten, dass die Arbeit den Stärken entsprechend verteilt wird und somit eine gegenseitige Unterstützung entsteht.  

2. Langjährige Erfahrung versus Digitalisierung und Wertewandel? Wie können ältere Mitarbeitende damit noch Schritt halten?

Bei uns ist dies weniger eine Frage des Alters denn die Frage des Intellekts/der Lernfähigkeit. Die zunehmende Digitalisierung wird in allen Altersgruppen Mitarbeitende an ihre Grenze bringen.

3. Ältere Mitarbeitende haben andere Ziele im Leben. Wie mobilisiere und motiviere ich als Vorgesetze/r diese Mitarbeitenden?

Wir erwarten von allen Mitarbeitenden und unabhängig vom Alter, dass sie sich mit unserem Unternehmen und den Unternehmenszielen identifizieren und ihren Beitrag leisten wollen. Spezielle Motivations-Methoden für ältere Arbeitnehmende erachten wir als nicht sinnvoll. Geht die Arbeitsmotivation verloren, wird es schwierig. Gibt es schwierige Lebensabschnitte (z.B. Betreuung von Familienangehörigen), so suchen die Vorgesetzen zusammen mit dem Betroffenen nach einer für alle Seiten tragfähigen Lösung. Sofern die Arbeitsmotivation grundsätzlich stimmt, sind wir zudem wenn möglich jeweils auch gerne bereit, Arbeitspensen zu reduzieren und/oder über neue/andere Aufgabenschwerpunkte zu sprechen.

4. Wie lassen sich ältere Mitarbeitende in meist jüngeren Teams integrieren und welche Massnahmen stellen Ihrer Meinung nach die Integration und Akzeptanz sicher?

Die Integration in ein Team hängt weniger vom Alter ab als von dem Charakter einer Person.

5. Kommt es zum Stellenabbau sind meist ältere Mitarbeitende betroffen. Was empfehlen Sie den Personalentwicklern, damit sie ältere Mitarbeitende länger im Job halten können.

Die älteren Mitarbeitenden zu ermutigen, sich auch im fortgeschrittenen Alter um ihre Arbeitsmarktfähigkeit zu kümmern, sprich, sich weiterzubilden und sich darum zu bemühen, sich fachlich auf dem aktuellen Stand zu halten.  

6. Ältere Mitarbeitende sind teuer. Was muss sich im Unternehmen aber auch in der Politik ändern damit ältere Mitarbeitende hier nicht benachteiligt werden?

Die sehr verbreitete Erwartungshaltung, dass sich der Lohn bis zur Pensionierung Jahr für Jahr erhöht, ist nicht richtig. Innerhalb des Unternehmens muss eine vermehrte Sensibilisierung zu diesem Thema stattfinden („Regenbogenkarriere“) aber auch in der Öffentlichkeit sollte dies viel intensiver thematisiert werden. Die Mitarbeitenden in diesem Alter müssen ein flexibleres Denken dazu entwickeln.

Schwierig sind die mit zunehmendem Alter steigenden Sparbeiträge bei der Pensionskasse. Hier sollte eine Lösung angestrebt werden, welche die Arbeitskosten nicht aus gesetzlichen Gründen im Alter zusätzlich verteuert.

7. Was hat sich bei älteren Mitarbeitenden bewährt, die sich einen vorzeitigen Altersrücktritt nicht leisten können?

Wir thematisieren das gewünschte Rücktrittsalter frühzeitig. Im Kaderbereich hat sich eine frühzeitige/rechtzeitige Nachfolgeregelung bewährt. Dies ermöglicht den älteren Mitarbeitenden, vor der Pensionierung einen Teil ihrer Verantwortung abzugeben und/oder ihr Pensum zu reduzieren. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass sie diesen Schritt sehr gut bewältigen und die Entlastung alles in allem schätzen. Insbesondere, weil ihr Wissen nach wie vor geschätzt wird.

8. Welche Unterstützung haben Sie und Ihre älteren Mitarbeitenden durch die Betriebliche Sozialberatung erfahren?

Wir hatten innerhalb der vergangenen vielleicht 4 Jahre drei Fälle. Zwei suchten Proitera freiwillig auf, einen haben wir zugewiesen. Ein Fall ist mir ganz besonders lebendig in Erinnerung. Ein langjähriger, sehr geschätzter Mitarbeiter nahe den 60 Jahren, verzeichnete einen enorm schnellen Leistungsabbau – in der Wahrnehmung des Abteilungsteams „alterte“ er sehr schnell, er wurde vergesslich, sehr langsam und auch unkonzentriert. Proitera schaffte es, ihn dazu zu bringen, sich in ärztliche Behandlung zu begeben. Unser Verdacht einer Krankheit bestätigte sich, die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses liess sich nicht mehr vermeiden. Proitera bezog sein soziales Umfeld mit ein, und unterstützte ihn bei den Sozialversicherungsthemen (IV/Pensionskasse). Der alleinstehende Mitarbeiter wurde dadurch in seinem sehr schwierigen Prozess nie allein gelassen und fiel nicht durch das soziale Netzwerk. Alleine hätte er dies nicht geschafft.

Wir als Vorgesetzte wussten ihn gut betreut, was sehr entlastend war. Und sein Arbeitsumfeld nahm wahr, dass wir Mitarbeitende mit Problemen nicht einfach fallen lassen.

Zu den beiden anderen Fällen wissen wir etwas weniger. Die beiden suchten Unterstützung betreffend restliche Arbeitszeit/Übergang in die Pensionierung. Auch die persönliche Situation dieser beiden war erschwert, weil beide ernsthaft erkrankt waren.


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