9. April 2020

Paare und die Corona-Krise: so meistern Sie das Zusammenleben in der Isolation

Es ist keine einfache Zeit, in der wir stecken: Wir sind alle angehalten, das Haus nicht zu verlassen, wenn es nicht unbedingt notwendig ist. Dies führt zu viel ungewohnter räumlicher Enge, insbesondere für Familien. Die Schulschliessungen in Kombination mit der Aufforderung, im Homeoffice zu arbeiten, sind eine nie dagewesene Herausforderung. Darauf konnten wir uns weder mental noch organisatorisch vorbereiten. Die Ungewissheit über die Dauer der angeordneten Massnahmen zur Eindämmung des Coronavirus erschwert die Planbarkeit zusätzlich.

Kurzum: Die aktuelle Situation ist für viele ein akuter Stressfaktor.

Für Paare mit konflikt-geladener Beziehung bringt die räumliche Enge zusätzliche Probleme mit sich, denn bisherige Lösungsansätze bei heftigen Streitereien, etwa «Auszeiten» mit Freunden oder im Fitnessstudio, sind plötzlich nicht mehr möglich. Wer jedoch in einer Stresssituation auf engem Raum zusammen sein muss, kann Aggressionen entwickeln. Die Beengtheit löst den Impuls aus, die (stark reduzierten) Freiheitsräume zu verteidigen. Fachleute befürchten daher auch eine Zunahme von häuslicher Gewalt, wenn die Isolation länger anhält. Dies hat man bereits im chinesischen Wuhan beobachtet, wo das Coronavirus zuerst ausbrach.

Wie entstehen Aggressionen?

Ärger, Wut und Zorn sind eine Abwehrreaktion gegen tatsächliche oder empfundene Ungerechtigkeiten und damit eigentlich eine gesunde Selbstbehauptungsreaktion. Nicht der Ärger an sich ist problematisch, sondern allenfalls der Umgang damit. Oft entspringen aggressive Gefühle einer wirklichen Bedrohung, Kränkung oder Zurückweisung. Aber auch anhaltender Stress, Überforderungen oder Ohnmachtsgefühle, können zu aggressivem Verhalten führen, weil man einen Kontrollverlust erlebt. Hilfreich ist, die negativen Gefühle als inneres Alarmsignal wahrzunehmen. Es lohnt sich deshalb, sich darüber Gedanken zu machen – etwa weshalb man sich so bedroht fühlt, was einem Sicherheit geben könnte und wie man dies möglichst sachlich mit dem Gegenüber besprechen kann.

Was kann man vorbeugend tun?

  • Eine gute Tagesstruktur ist gerade in Corona-Zeiten eminent wichtig – sie gibt ein Gefühl von Sicherheit und beugt Kontrollverlust vor. Viele Aktivitäten und Aufgaben sind plan- und aufteilbar: wer ist wann zuständig für Kinder und Kochen, wer muss wann ungestört telefonieren und wo (auch das Schlafzimmer ist eine Lösung). Wer hat wann „ich-Zeit“ und darf sich zurückziehen? Mit Freunden telefonieren, ein Bad nehmen, im Schlafzimmer ein Buch lesen? Wichtig ist dabei zu berücksichtigen, dass auch grössere Kinder Rückzugszeiten und –möglichkeiten benötigen.
  • Bewegung, Spaziergänge an der frischen Luft oder Entspannungsübungen helfen beim Stressabbau: unbedingt tägliche Zeiten dafür vorsehen (auch 15 Minuten sind besser als gar nichts).
  • Die Partner sollen versuchen, den gegenseitigen Respekt aufrechtzuerhalten indem sie sich immer wieder vor Augen führen, dass beide Partner gleichermassen gefordert sind. Es gilt gemeinsam auszuloten, wer wen wo unterstützen kann und wo nicht. Denn unausgesprochene, unrealistische Erwartungen sind Gift für gegenseitiges Verständnis.

Bild: http://schlogger.de

Bewährte Tipps für konstruktives Streiten

Vereinbarungen als Paar: Unzufriedenheit soll direkt und sachlich angesprochen werden und es wird auf Schuldzuweisungen sowie Beleidigungen verzichtet. Wenn dies nicht gelingt, die Auseinandersetzung sofort abbrechen und später fortsetzen.

Ein Zeitlimit festlegen: in 15 Minuten ist oft alles Nötige gesagt, den Konflikt zu zerreden, hilft selten weiter.

Konflikte im Heute und für die Zukunft lösen: Rückgriffe auf die Vergangenheit sind meist wenig hilfreich. Also nicht sagen: «Das war schon immer so schlimm mit dir», sondern «wie können wir es in Zukunft für beide besser machen.»

Unbedingt reagieren, bevor ein Streit eskaliert: ein Stop-Signal vereinbaren. Als Ventil für die Aggression kann jemand die Wohnung verlassen und kurz an die frische Luft gehen.

Streit unter Alkoholeinfluss ist absolut zu vermeiden: Enthemmung ist keine gute Basis für ein konstruktives Streitgespräch, sondern fördert Aggressionen und Gewaltbereitschaft.

Ganz grundsätzlich gilt: Psychohygiene nicht vergessen! Mit wem kann ich mich telefonisch oder per Videochat austauschen, wenn ich es kaum mehr aushalte zu Hause?

Auch Ihre Proitera-Beraterinnen und Berater sind gerne für Sie da!

Was tun im Notfall?


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